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Mit Tempo 20 den Berg hinauf

brohltalbahn niederzissen KopieDer "Vulkan Express" am Bahnhof in Niederzissen. Foto: Stefan LieserDie Brohltalbahn mit ihrem „Vulkan-Expreß“ zwischen Brohl am Rhein und Engeln in der Hocheifel ist eine der letzten Schmalspurbahnen in Westdeutschland. Mehr als 60.000 Fahrgäste zuckeln jährlich in den historischen Personenwaggons hinter einer der Dieselloks oder der über 114 Jahre alten Dampflok das immer enger und steiler werdende Brohltal hinauf und wieder hinunter.

Andreas Wildeman, seit 30 Jahren Lokführer auf der Brohltalbahn, nimmt die zwangsweise „Entdeckung der Langsamkeit“ bei maximal 20 km/h auf den 17,5 Kilometern zwischen Brohl und Engeln mit stoischer Gelassenheit. Ein Tunnel, zwei hohe Bahnviadukte, einige Brücken und eine 5,5 Kilometer lange Steilstrecke liegen vor ihm und der 300 PS starken Diesellok „D2“, die 1965 mit zwei baugleichen Schwestern eigens für die Brohltal-Eisenbahn gebaut worden ist.

brohltalbahn richtung engeln 3 KopieAuf der Steilstrecke: 400 Höhenmeter muss die Diesellok auf 5,5 Kilometern zwischen Oberzissen und Engeln überwinden. Foto: Stefan LieserDas „Lukas, der Lokomotivführer“-Gefühl hat er angesichts der Fahrt auf einer der wenigen in Westdeutschland noch befahrenen Schmalspurstrecken – Spurweite 1 Meter – inklusive. Erst recht bei den Fahrten mit der nach 50 Jahren auf dem Abstellgleis 2015 wieder reaktivierten Dampflok 11sm (sm = schwere Mallet) aus dem Jahr 1906.

Zwei Waggons mit „1. Klasse“-Abteilen, vier der „Holzklasse“ sind hinter die Diesellok „D2“ an diesem Tag gespannt. Die Bühnengitter an den Seiten neben den geriffelten Stahlplatten über den Deichseln, die zwei Waggon verbinden, sind geschlossen. Ein bisschen Wild-West-mäßig wirkt das hier draußen: Eisenbahnromantik.

Wildeman betätigt den Hebel für das Startsignal: Der „Vulkan-Expreß“ pfeift, ein Ruck geht durch die Waggonreihen und los geht’s.

Spektakel für die Freunde und Genießer einer Fahrt in einer historischen Eisenbahn bietet der „Vulkan-Expreß“ in den nächsten gut 90 Minuten jedenfalls genug, so schleichend einem die Fahrt auch vorkommen mag. Etwa oberhalb von Bad Tönisstein, wo es durch einen Tunnel im Trassstein geht. Das Gebiet ist beliebt wegen seiner begehbaren Höhlen. In Oberzissen wird kurz Pause gemacht – denn jetzt beginnt der für die kleine Diesellok schwierigste Teilabschnitt.

brohltalbahn viaduktÜber Brücken, Viadukte, sogar durch eine Höhle im Trass bei Bad Tönisstein geht die Fahrt das Brohltal hinauf nach Engeln. Foto: Stefan LieserFünf Prozent Steigung auf rund 5,5 Kilometern bis zum Zielbahnhof Engeln, rund 400 Meter Höhenunterschied – das ist hinauf noch nicht einmal das Problem. Aber hinunter. „Jeder Waggon hat ein eigenes Bremssystem, das passt schon“, meint Michael Haubner, einer der Geschäftsführer der Brohltal-Schmalspureisenbahn Betriebs-GmbH, die den Bahnverkehr betreibt. Er ist heute der Schaffner in korrekter blauer Dienstuniform. „Aber hinunter nach Brohl sind die Verschleißkosten für die Bremsen so hoch wie für den Motor : erheblich.“

brohltalbahn team 3 KopieLokführer Andreas Wildeman und Michael Haubner von der Schmalspureisenbahn Betriebs-GmbH. Foto: Stefan  LieserHaubner sitzt im „Salonwagen“ des „Express“, auch ein historischer Personenwaggon, in diesem Fall der Berner-Oberland-Bahn abgekauft Der Waggon wurde einst auf der Fahrt in der Jungfrau-Region eingesetzt. Der Herr Schaffner, der vor dem Bahnhof Niederzissen mangels Bahnschranke aus dem Zug raus muss um den Autoverkehr zu regeln, verkauft Getränke an die Fahrgäste und genießt später die wunderbare Aussicht aus den großen Waggonfenstern auf Burg Olbrück, das Wahrzeichen des Brohltals.

Mehrfach seit der Premierenfahrt eines Zuges durchs Brohltal im Jahr 1901 – es war eine Zahnradbahn und die Strecke war später noch verlängert bis Weibern und Kempenich - sei ja die Einstellung des Bahnverkehrs mangels Rentabilität das Thema gewesen. Schon 1920, als die damalige Betreiberin, die Westdeutsche Eisenbahn-Gesellschaft, sich von der Bahn trennen wollte. Die Landkreise Ahrweiler und – damals noch existent – Adenau und Mayen, sowie Unternehmer aus der Region führten den Bahnbetrieb über eine neue Aktiengesellschaft weiter. 1953 wurde die AG in eine GmbH umgewandelt.

brohltalbahn fuehrerstandEin bisschen wie „Lukas, der Lokomotivführer“: Andreas Wildeman im Führerhaus der Diesellok. Foto: Stefan LieserÜber Jahrzehnte war klar: Eine Zukunft hat die Bahn nur dann, wenn sie dem Gütertransport dienen kann. Am Schellkopf bei Brenk abgebauter Phonolith – wichtiger Zusatzstoff für die Glasproduktion – war eines der Güter, die über die Brohltalbahn zum Rheinhafen in Brohl gebracht werden konnten. Der Personennahverkehr spielte stets nur eine nachrangige Rolle und wurde schließlich 1961 auf Busse verlagert. Erst ab 1977 nahm der touristische „Vulkan-Expreß“ wieder Personenzugfahrten im restaurierten Waggon VB 50 mit angehängtem „Cabrio“-Waggon in den Fahrplan auf.

brohltalbahn gruppe 2 KopieGut gelaunt den Berg hinauf. Foto: Stefan LieserDas sei dann ganz gut gegangen, bis 1987 die Phonolithtransporte per Schiene stark zurückgingen, meint Michael Haubner. Es drohte das endgültige Aus der Schmalspurbahn. Doch 100 Eisenbahnfreunde verhinderten das: Sie gründeten am 2. September 1987 im Bahnhof Burgbrohl die Interessengemeinschaft Brohltal-Schmalspureisenbahn“ (IBS). Die IBS wurde Unterstützer zum Erhalt der Bahnstrecke und des Bahnbetriebs und hat heute mehr als 300 Mitglieder, zudem stille Gönner und Sponsoren.

Reiner Idealismus war allerdings nicht gefragt. Es ging und geht darum, den historischen Waggon- und Lokbestand zu erhalten, ein teures Vergnügen. Die Gretchenfrage stellte sich schon vier Jahre später, als der Aufsichtsrat der Brohltal-Eisenbahn GmbH, Betreiber von Bahn und Bussen für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPMV), die Bahnstrecke endgültig mangels Rentabilität stilllegen wollte. Und das bei mittlerweile Zehntausenden Fahrgästen jährlich auf den touristischen Fahrten der Bahn.

brohltalbahn bhf luetzing 1 KopieVerladen der Fahrräder im historischen Güterwaggon. Foto: Stefan LieserJoachim Weiler, Landrat des Kreises Ahrweiler, habe das verhindert, heißt es. Als Vorsitzender des Aufsichtsrates der GmbH empfahl er die Neugründung der Brohltal-Schmalspureisenbahn Betriebs-GmbH durch die Gemeinschaft der Freunde und Förderer, der IBS. So ist es bis heute geblieben. Und auch der Phonolith-Transport konnte fortgeführt werden.

Heute sind nach Angaben von Michael Haubner mehr als 60.000 Fahrgäste pro Jahr mit dem „Vulkan-Expreß“ im Brohltal unterwegs. Eine Touristenattraktion, die auch Teile das Wandergebietes der Vulkanregion Laacher See mit unter anderem der „Eifelleiter“ zwischen Bad Breisig und der Hohen Acht bei Adenau erschließt.

Gemächlich rollt jetzt der „Vulkan-Expreß“ im Zielbahnhof Engeln ein. An wenigen Tagen im Jahr zieht die Dampflok 11sm die Waggons. Auch so ein kleines Wunder. Die Wiederinbetriebnahme der letzten erhaltenen, eigens für diese Strecke gebauten Dampflok kostete 750.000 Euro. 2015 war die fünfjährige Restaurierung der Attraktion, die teilweise ein Neubau war, abgeschlossen. Aber rund 70.000 Euro für die Nachfinanzierung müssen noch bezahlt werden. Spender sind willkommen!

brohltalbahn holzklasse KopieWillkommen in der Holzklasse. Foto: Stefan LieserMichael Haubner hat all das miterlebt: Stilllegungsabsichten, Weiterführung des Eisenbahnbetriebs, die anhaltenden finanziellen Risiken. „Wir brauchen aktuell einige Millionen Euro für die Reparatur von Brücken und Schienen“, meint er nur zur nächsten Herkulesaufgabe für die Bahnfreunde im Brohltal. Und er sei ja gespannt, ob bei der Landesregierung in Mainz und bei den Parteien tatsächlich ein Herz für den Erhalt einer der letzten Schmalspurbahnen Westdeutschlands schlage.

Seine Erwartungen wurden im Sommer des vergangenen Jahres nicht enttäuscht: Die Brohltalbahn erhält als erste nicht-bundeseigene Eisenbahn Zuschüsse des Landes Rheinland-Pfalz. 4,69 Millionen Euro der insgesamt 5,52 Millionen Euro, die die Ertüchtigung der Strecke kosten wird, werden gefördert.

Andreas Wildeman, der „Lukas, der Lokomotivführer“ der Brohltalbahn, blickt entspannt aus dem Fenster im Führerhaus seiner D2.  Bald geht es wieder mit Tempo 15 vorsichtig die Steilstrecke hinab.  „Wir könnten ja mit 28“, meint Wildeman. Aber man will ja nicht übertreiben. (sli)

INFO: www.vulkan-express.de