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Ein verstecktes Städtchen

brunkerBlick auf Neuerburg vom Beilsturm. Foto: Martin BrunkerWo in der Eifel einst eine adlige Herrschaft ihr Kleinterritorium regierte und auch eine Burg stand, finden sich diese Beziehungen immer noch in der umgangssprachlichen Namensgebung. So ist es mit dem „Wildenburger Ländchen“ oberhalb von Hellenthal in der Nordeifel – so ist es mit dem „Neuerburger Ländchen“ im engen Enztal in der Südeifel.

Selbst 170 Jahre nach dem Bau der Talstraße, die Neuerburg mit Krautscheid in Richtung Prüm und mit Sinspelt in Richtung Luxemburg verbindet, spürt man noch die Abgeschiedenheit des Städtchens im engen Tal der Enz. Die Straße hinunter durch das Wahlbachtal windet sich – dann taucht plötzlich zwischen steilen bewaldeten Hängen Neuerburg hinter einer Kurve auf. Ähnlich ist der Effekt, wenn man sich dem 1600-Einwohner Ort von Süden nähert.

Und immer fällt der Blick unweigerlich auf die schöne Pfarrkirche St. Nikolaus mit den Sandstein-roten Stützpfeilern und das wuchtige weiß gekälkte Lehnshaus mit dem Zinnen bekrönten Turm darüber, beides unterhalb der Ruine der Neuerburg. Die Bausubstanz der größten noch erhaltenen Burganlage im Eifelkreis Bitburg-Prüm reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück, von 1132 existiert der erste gesicherte Nachweis. Die Wehranlagen bestehen aus drei Burgberingen, durch die heute eine Straße aus Neuerburg hinaus hoch nach Koxhausen und weiter nach Vianden, dem alten Machtbezugspunkt zu feudalen Zeiten, führt.

stefan lieser wasserfaelle 1Knackpunkt des neuen Tourismuskonzeptes in Neuerburg: Die beiden Wasserfälle der Enz mit der heruntergekommenen Mühle aus dem 16. Jahrhundert auf der Felsnase in der Mitte.Neuerburg hat sich über Jahrhunderte als bürgerliche Siedlung im Schatten der gleichnamigen Burg entwickelt. Der Name ist vermutlich erstmals von Abt Regino von Prüm in seinen Eintragungen zum zweiten Normanneneinfall in der Region 892 zu finden.

Tatsächlich haben die wechselnden Herrschaften auf der „neuen Burg“ das Schicksal des Städtchens bestimmt. Etwa 1332, als Friedrich von Brandenburg und Neuerburg auf Anregung von König Johann von Böhmen, Graf von Luxemburg, dem Burgflecken die Stadtrechte verlieh. Neuerburg unterstand in der Folge den Grafen von Vianden. Von 1487 bis 1618 gehörte der strategisch gut gelegene Ort im Enztal zum Beritt der Grafen von Manderscheid. 1789 wurde die Stadt von den napoleonischen Truppen beschossen, 1792 die alten Festungsanlagen zerstört.

Unbenannt 1Drei, die ihr Neuerburg kennen (von links): Stadtrat und Ex-Gymnasiumdirektor Günter Scheiding, Stadtbürgermeister Lothar Fallis und Stadthistoriker Martin Brunker am Stadthaus in der Herrenstraße. Alles das weiß Martin Brunker der Stadthistoriker. Er sitzt gerade zusammen mit Stadtbürgermeister Lothar Fallis und Günter Scheiding, Stadtratsmitglied, Chef von Blau-Weiß Neuerburg und ehemaliger Direktor des Staatlichen Eifel-Gymnasiums in Neuerburg, im kleinen Sitzungsraum des gründerzeitlichen Stadthauses an der Herrenstraße.

Der Marktplatz: Ergebnis eines Stadtbrandes

Schnell kommt das Gespräch auf das Stichwort „Marktplatzgestaltung“. Das Städtchen, das heute einen „der schönsten der Eifel hat, an allen vier Seiten von Bebauung umschlossen“, so Günter Scheiding, verdankt das eigentlich einer großen Tragik. Dem großen Stadtbrand von 1818, dem zweiten nach einem ersten, weniger katastrophalen in den Auswirkungen, zwei Jahre zuvor. „Aber 1818 wurde alles das, was sie heute an Stadtkern vom Beilsturm gegenüber sehen können, zerstört. Es waren lauter Fachwerkhäuser mit Strohdächern“, so Martin Brunker.

Und in der Folge seien die verbliebenen Reste der Bebauung der einstigen Bongertstraßen auf dem Areal des heutigen Marktplatzes eben nur beseitigt worden – ein Wiederaufbau erfolgte auf dem brach liegenden Areal nicht.

200 Jahre später verdankt Neuerburg der Entscheidung von damals einen Stadtplanerwettbewerb, an dem „27 Büros aus ganz Deutschland teilgenommen haben“, freut sich Stadtbürgermeister Lothar Fallis. Für rund 1,5 Millionen Euro – zu 75 Prozent gefördert – soll Neuerburgs „gute Stube“, das bedeutsamste städtische Sanierungsgebiet, aufgehübscht werden. Ruhe- und Verweilzonen sind geplant, eine neue Pflasterung – und einen Ersatz für den abgebrochenen, weil in die Jahre gekommenen Musikpavillon. Hier gibt traditionell der Musikverein Neuerburg seine Konzerte, ist die Bühne während der Freitagabende des „Neuerburger Musiksommers“ oder für Standkonzerte während der Kirmes.

Rund um den dann bis auf 20 Parkplätze verkehrsberuhigten Marktplatz soll ebenfalls aufgehübscht werden können. Wohnhausbesitzer und Geschäfteinhaber können in gewissem Umfang dafür ihrerseits Fördergelder beantragen.

Fürs Städtchen gibt es derzeit einige Förderprojekte, unter anderem für den Tourismus und die Innenstadtgestaltung.

„Ja, wir haben einiges an Leerstand, aber weniger als man meint, auch wenn wir nicht alles wieder ausgleichen können“, versucht Stadtbürgermeister Fallis einzuordnen. Der Augenschein allerdings ist eher skeptisch.


stefan lieser euvea tagungshotelDas Euvea-Tagungshotel. Aber nicht nur die Umsetzung des städtischen Sanierungskonzeptes steht an. Zwei weitere Förderprojekte bringen neue Ideen und weitere öffentliche Gelder nach Neuerburg. Kreisweit wird Neuerburg neben Bollendorf und Irrel – beide Orte befinden sich ebenfalls in der Südeifel – derzeit als „ländliches Zentrum“ unterstützt; Landkreis und LEADER fördern zudem eine Untersuchung zum „Erlebnisraumdesign im Eifelkreis“. Für Neuerburg, so Bürgermeister Fallis, „haben die festgestellt, dass die Leute, die hierhin kommen, nicht nur alte und neue Häuser sehen wollen, sondern sie wollen auch was erleben.“

Man müsse also etwa die kleinen und größeren Wasserflächen im „Stadtpark“ noch attraktiver machen, auch wenn der Status Quo rund um einen kleinen Teich mit einladenden Bänken Manchem jetzt schon reichen würde.

Hier, wenige hundert Meter vom Stadthaus entfernt, kann man eine Idylle unweit zweier Wasserfälle der Enz bestaunen. Der Bach stürzt links und rechts eines steilen Felssattels hinab.  Auf der rechten Seite nutzen begeisterte Wildwasser Kajakfahrer die Option.

stefan lieser st nikolaus und glockenturmSt. Nikolaus mit dem GlockenturmIn der Mitte zwischen beiden Rauschern aber steht eine Art Schandfleck von Neuerburg, auch daneben am Ufer sind die alten Gebäude heruntergekommen. Die ehemalige Lohmühle aus dem 16. Jahrhundert zwischen den beiden Bachstürzen gehört Privatleuten, diente eine Zeit lang „als PKW-Werkstatt“, so Stadthistoriker Marin Brunker, und ist eine von drei alten Mühlen an der Stelle. Auch die beiden anderen hüben und drüben am Enzufer nutzten einst die starke Strömung des Baches am Überlauf.

Hier soll künftig eine Art Erlebnisbrücke vor den Wasserfällen und den drei Mühlen gespannt werden. Ein ebenfalls heruntergekommen wirkendes Gebäude unweit am Ufer soll für den Zweck abgerissen werden.

Womit man beim „Tourismuskonzept Neuerburg“ wäre, das die SPD-Mehrheitsfraktion im Stadtrat erstellt hat. Man will etwa den Mountainbikern weitere Routen durch das steile bis hügelige Gelände drum herum bieten, und allen Neuerburg-Freunden eine neue „Panoramabrücke“ oder eine „Panoramaplattform“ im Mühlenwald oder an der „Kanzel“ oberhalb des Beilsturms mit Blick auf den heute in den ältesten Teilen spätbarocken Stadtkern.

Und Neuerburg will den Gesundheitstourismus fördern. Mit dem städtischen „Gesundheitszentrum“ hat man schon einiges an Vorarbeit geleistet.

Im ehemaligen Krankenhaus richtete die Stadt ein Gesundheitszentrum ein. Ein Modellprojekt ohne Vorbild in Rheinland-Pfalz.

„Die medizinische Versorgung auf dem Land ist ja allgemein eher schlecht, und so war es auch bei uns“, so Stadtbürgermeister Lothar Fallis. Da hatten die Neurburger eine Idee: Sie richteten eine Tagespflege, eine Palliativbegleitung, Betreutes Wohnen, einen Wohnbereich für unbegleitete geflüchtete Jugendliche und eine Allgemeinarztpraxis im ehemaligen Krankenhaus ein. Jetzt soll noch ein Kneippzentrum dazu kommen. „Für alles das hatten und haben wir keine Vorbilder“, so Lothar Fallis. Umgesetzt wurde es bisher trotzdem.


stefan lieser kirchgasse KopieDie Kirchgasse. Unweit des Gesundheitszentrums an der Bitburger Straße hat Neuerburg ein weiteres Alleinstellungsmerkmal im Landkreis Bitburg-Prüm: Das EUVEA Hotel und Tagungszentrum für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung, eine Einrichtung der Westeifelwerkstätten in Gerolstein.

Und ebenfalls nicht weit entfernt kann das Städtchen an der Enz sogar von sich behaupten in ganz Rheinland-Pfalz – fast – konkurrenzlos zu sein: Neben dem Angebot aller anderen Schulformen – nur eine Berufsschule fehlt – ist hier mit dem Staatlichen Eifel-Gymnasium eines von nur vier staatlichen Gymnasien im Land. „Schwerpunkt von Schulangebot und Internat (insgesamt maximal 600 Schülerinnen und Schüler) ist die Sprachförderung für Aussiedler und Migranten“, so Günter Scheiding, langjähriger Direktor des Gymnasiums.

Die einstige Bahnstrecke diente vor allem dem Truppentransport zur Grenze. 

Neuerburg hat so in mancherlei Hinsicht Infrastrukturaufgaben übernommen, die für Kleinstädte dieser Größe eher ungewöhnlich sind, dazu kommt der Sitz der 2014 aus der Fusion der Verbandsgemeinden Irrel und Neuerburg entstandenen Verbandsgemeinde Südeifel.

Man hat aber vor allen Dingen immer noch viel Historie in und um die alten Mauern herum. Trotz zweier Stadtbrände und Zerstörungen etwa durch die napoleonischen Truppen, oder im Zweiten Weltkrieg, als die Stadt zu 40 Prozent ein Opfer der Bomben wurde. Der Grund für die Luftangriffe war wohl auch die 1907 eingeweihte Endstation der Bahnlinie Pronsfeld-Neuerburg. Die Bahntrasse diente vor allen Dingen dem Truppentransport Richtung des nahen Luxemburg.

Szenenwechsel: Erreicht man oberhalb der bürgerlichen Stadt durch den Torbogen des Glockenturms der spätgotischen Pfarrkirche St. Nikolaus den Platz „Im Burgfrieden“, ist man kurz in einer anderen Welt, in die der Gang hinauf durch die alten verwinkelten Gassen geführt hat.

stefan lieser schwarzbildchen 1Ort einer wundersamen Sage und Wallfahrtsstätte: Das "Schwarzbildchen" oberhalb von Neuerburg.St. Nikolaus ist einen ersten Abstecher wert. Unter der bäuerlich einfach gestalteten Kreuzigungsszene aus Sandstein über dem Tympanon betritt man die reichhaltig ausgestattete zweischiffige Kirche mit dem wunderschönen Sternenzeltgewölbe und einer warmen, leicht nachhallenden Akustik.

Vorbei am ehemaligen Lehnshaus mit dem wuchtigen Turm geht es dann zur Burg hinauf, die heute zwei Herren dient. 1927 pachtete der Jugendbund Neudeutschland den größten Teil des Gemäuers, „was in der Folge Scharen großstädtischer Jugendlicher nach Neuerburg brachte“, so Rudi Hohmann in einem seiner lesenswerten Beiträge zur Geschichte des Städtchens, die auf der sorgfältig und umfassend gestalteten Homepage Neuerburgs nachzulesen sind (www.neuerburg-eifel.de)

stefan lieser eisenbahntunnelDer südliche Tunnelausgang der einstigen Bahnstrecke Pronsfeld-Neuerburg.Zimmer der Burg werden so bis heute etwa für Familien vermietet, andere Gebäudeteile aber gehören wiederum der Stadt, die „eigentlich immer nach Fördermitteln zum Erhalt  sucht“, wie Stadtbürgermeister Lothar Fallis einräumt.


Ob man solche Anstrengungen auch für den Gedenkplatz „Hexentanzplatz“, einer einstigen Hinrichtungsstätte, im Mühlenwald leisten würde? Vor allem während des 30-Jährigen Krieges (1618-1648) erlangte Neuerburg traurige Bekanntheit, weil 54 Hexenprozesse geführt wurden, offenbar Ergebnis von pogromartigen Verfolgungen. Neben dem Stadtrecht hatte Neuerburg eben auch eine eigene Gerichtsbarkeit. An der Gemarkung „Heer“ stand der städtische Galgen.

Andere Zwecke öffentlichen Interesses jedenfalls werden auch in Neuerburg mit Spenden oder Mitgliedsbeiträgen unterstützt.  Fördervereine gibt es etwa für das Staatliche Eifel-Gymnasium, die Kindertagesstätte oder die Burg.

Der Musikverein Neuerburg hat eine 200 Jahre alte Tadition. Damit ist er ist der älteste in Rheinland-Pfalz. 

Apropos Vereine: Die haben hier teilweise eine große Tradition. 100 Jahre besteht der SV Blau-Weiß Neuerburg – und 200 Jahre der Musikverein Neuerburg, der damit der älteste in Rheinland-Pfalz ist. 1880 wurde zudem die Ortsgruppe des Eifelvereins gegründet.

stefan lieser eligiuskapelle 2Die Eligiuskapelle, Neuerburgs wohl unbekanntestes Denkmal. Wenn man so will, sind solche Traditionen schon in der Organisationsgeschichte von Handel und Gewerbe in Neuerburg angelegt. Denn spätestens ab 1421 waren hier vier Hauptzünfte nachgewiesen, ein Phänomen, das man sonst nur aus wesentlich größeren Städten kannte. Die Zunft der Wollweber, auch Katharinenbruderschaft genannt, der Schneider (Heiligkreuzbruderschaft), der Schumacher und der Hämmerer, die sich auch Eligiusbruderschaft nannte.

Ihre Gottesdienste feierten die auch „Loyenbrüder“ genannten Mitglieder in der Eligiuskapelle, deren Bau 1437 begonnen wurde. Das Kirchlein ist der einzige noch erhaltene Teil des einstigen mittelalterlichen Hospitals, das auf einem Felsrücken etwas außerhalb des Kernortes liegt, vielleicht, weil hier auch Pestkranke in Isolationsbehandlung waren.

stefan lieser brunnen marktplatzBrunnen am Marktplatz. Heute ist das Gotteshaus an der Ecke Im Hohm/Weiherstraße, dessen Mauerwerk über die Zeiten nachgedunkelt ist, eine der eher unbekannten Sehenswürdigkeiten von Neuerburg. Man sollte sich einen Besuch gönnen, auch einen Gang durch den Staudengarten unterhalb des Kirchleins.

Das ist wiederum typisch für Neuerburg: Im und ums Städtchen herum gibt es Wundersames und Überraschendes zu entdecken. Etwa die um 1720 fertig gestellte barocke Kreuzkapelle im Wald, die bis ins 18. Jahrhundert eine Einsiedelei war. Oder das „Schwarzbildchen“. Dessen Entstehungssage geht so:

Ritter Kuno und der Baum...

Ritter Kuno von Falkenstein musste Mitte des 15. Jahrhunderts vor den Rittern des Grafen von Vianden fliehen. Er flüchtete, da ihm der Weg zur heimischen Burg versperrt war, in Richtung Neuerburg. Kurz vor Erreichen des rettenden Ziels aber brach sein Pferd vor Erschöpfung zusammen. In seiner Not sendete Ritter Kuno ein Stoßgebet gen Himmel – und die Muttergottes soll ihm daraufhin ein Schlupfloch im Innern eines hohlen Baums gezeigt haben.


An der Stelle soll der dankbare Ritter Kuno ein geschnitztes Muttergottesbild aufgestellt haben. Es ist über die Jahrhunderte vom Ruß der Kerzen schwarz geworden, zum „Schwarzbildchen“, 1763 ist das erstmals schriftlich erwähnt. Bis heute ist das „Schwarzbildchen“ Ziel von Pilgern, die hier göttlichen Beistand erflehen.

Für Manche, die erstmals nach Neuerburg kommen, steht deshalb fest: Die kleine versteckte Stadt an der Enz ist einfach unterschätzt. (sli)

Fotos: Stefan Lieser