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„Der Wald wächst einem ans Herz“

stefan lieser eh 4 2021 inter heller 7 KopieFrüh am Morgen ist die Welt im Wald noch in Ordnung: Kurz nach Sonnenaufgang bei Müllerthal in der Kleinen Luxemburger Schweiz.Eifel. In der „Wirtschaftseinheit 30E“ des Kommunalwaldes der Gemeinde Blankenheim, nahe des Ortes Dollendorf, hält Rolf Heller sein Dienstfahrzeug an: „Sehen Sie: Hier haben wir Traubeneiche im Saatgutbestand, Rotbuche im Zwischen- und Unterstand, dazu etwa Europäische Lärche.“ Und alles erfreut sich augenscheinlich bester Gesundheit – Borkenkäferfrei! Seit 1986 und bis Ende 2021 war der 64-Jährige, er stammt aus Bad Münstereifel, ist verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter und vier Enkel, erst 15 Jahre lang Revierförster der Gemeinde Blankenheim und seit 20 Jahren Technischer Betriebsleiter des kommunalen Forstbetriebs. Die Gemeinde Blankenheim ist mit 4300 Hektar drittgrößter kommunaler Waldeigentümer in NRW nach Brilon und der Stadt Warstein, und in der gesamten Eifel ohnehin die Nummer 1. Der Diplom-Forstingenieur FH muss es wissen: Wie steht es um den Eifelwald – und wie kann er den Klimawandel überleben?

Herr Heller, was ist das Besondere gerade hier im Blankenheimer Gemeindewald?
Heller: Hier sehen Sie ein Beispiel für die Pflegearbeiten in einem Wirtschaftswald: Die Rotbuche würde eigentlich an diesem Standort alles dominieren, wenn wir sie ließen. Wir entnehmen sie nach und nach, denn der wertvollere Baum ist die Eiche. Für gutes Stammholz der Traubeneiche können wir 150-350 Euro für den Festmeter erzielen, bei der Rotbuche wären es aber nur 70-95 Euro.
Und das hier ist Ihr Lieblingswald?
Heller: Einen Lieblingswald habe ich eigentlich nicht. Aber in den 35 Jahren hier im Gemeindewald habe ich einiges tatsächlich mitbegründet. Der Wald wächst einem auch ans Herz.

stefan lieser eh 4 2021 inter heller 3 KopieBlütenpracht oberhalb des Urfttals: Bärlauch im Frühsommer. Wie kam denn der Wald durch die heißen Sommer der vergangenen drei Jahre?
Heller: Die Eiche kam am besten klar. Die Buche, die an das hiesige Klima angepasst ist, hat je nach Standort erste Probleme bekommen. Man sieht dann, dass sie sich nicht mehr so wohlfühlt, sie hat es lieber etwas feuchter und kühler. Sorgen macht mir die Esche. Als Folge der Globalisierung wurden Pilze eingeschleppt, die zum Eschentriebesterben führen. Bei den Fichten – die vor allem vom Borkenkäferbefall betroffen sind – haben wir bisher einen maximalen Holzeinschlag von 14.500 Kubikmetern im Jahr gehabt. An Kalamitätsholz – Borkenkäferbefall, Windwurfschäden – waren es bisher maximal 12.000 Kubikmeter. Verglichen mit den Schäden etwa im Sauerland oder im Westerwald haben wir also noch Glück gehabt. Von 4300 Hektar sind bei uns vielleicht 30 betroffen!
Warum?
Heller: Ein Grund wird die Höhenlage sein. Unsere Wälder liegen im Durchschnitt bei um die 500 Meter. Und wir hatten auch im August 2020 noch an die 140 Millimeter Niederschlag auf den Quadratmeter – das war etwa im Sauerland ganz anders. Dann kam der relativ kühle Winter und das ebenfalls kühle Frühjahr, ein niederschlagreicher Sommer 2021. Bei uns haben wir so noch die 2. Generation des Borkenkäfers, anderswo, wo es länger trocken und auch wärmer war, ist schon die dritte unterwegs.

stefan lieser eh 4 2021 inter heller 10 KopieSchadfläche: Das Kalamitätsholz wurde schon aus dem Wald geschafft, hier bei Rohr im Gemeindewald von Blankenheim. Dennoch hat der stark gestiegene Anteil an sogenanntem Kalamitätsholz auch bei den Forstbetrieben in der Eifel Auswirkungen auf die Erträge. Immerhin sind die Erlöse aus dem Holzverkauf für die Gemeinde Blankenheim von großer Bedeutung?
Heller: Allerdings. In den letzten 20 Jahren haben wir durchschnittlich um die 250.000 Euro an die Gemeinde überwiesen, 950.000 Euro alleine vor wenigen Jahren für die neue Turnhalle an der Grundschule in Blankenheim. Der höchste Jahresüberschuss der letzten zehn Jahr betrug 2017 517.000 Euro. Das hat sich drei Dürre- und Borkenkäferbefall-Jahre später geändert: 2020 gab es ein Minus von 211.000 Euro. Ohne die Bundeswaldprämie wären es sogar 270.000 Euro. Für das kommende Jahr 2023 rechnen wir zum Glück mit einem Plus von 106.000 Euro. Die Holzpreise ziehen schon wieder an, etwa für die Fichte. 2021 waren auch die Borkenkäferschäden geringer.
Und wie hat ihr Wald die Jahrhunderflut überstanden?
Heller: gut. Schäden haben wir an der Infrastruktur. Wir halten 120 Kilometer Waldwege vor, da ist ein Schaden von 600.000 Euro entstanden: Durchlässe, Brücken, Seitenabflüsse sind beschädigt, ein ganzer Weg am Golbach ist weg.
Alles zusammengenommen ist der Wald um Blankenheim…
Heller: … im Schnitt etwas gesünder als im Schnitt in NRW.

stefan lieser eh 4 2021 inter heller 5 KopieWenn Bäume so etwas wie einen Charakter hätten, dann wäre das hier ein ehrwürdiger, weiser Methusalem: Die mehr als 250 Jahre alte Süntelbuche bei Blankenheimerdorf.Was wird aus dem Wald angesichts des Klimawandels?
Heller: Das weiß keiner, das ist Kaffeesatzleserei. Der Wald spielt jedenfalls, wenn es um den Umweltschutz geht – mal ganz abgesehen von der Fähigkeit CO² zu binden -, eine zentrale Rolle. Er kann alle Wetterextreme abmildern und ist Rückzugsort für eine große Anzahl an Pflanzen und Tieren. Wenn aber zum Beispiel der Golfstrom schwächer wird, wird es hier schnell um die fünf Grad kühler. Dann brauchen wir mehr Bäume die Kühle besser vertragen, als Bäume, die es lieber wärmer mögen.
Wird die Fichte als „Brotbaum der Eifel“ nach 1815 von den Preußen im großen Stil angepflanzt, dann erneut nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, eine Zukunft haben?
Heller: Nein! Künftig wird die Fichte ein Nischenprodukt werden. Die Hauptbaumarten werden angesichts des Klimawandels andere sein müssen, vor allem Laubbäume. Die Eifel wird zum Laubmischwald mit einem gewissen Prozentsatz an Nadelbäumen werden.
Ist dieser Zukunftswald überhaupt planbar?
Heller:  Streng genommen nur begrenzt. Es kommt, wie es kommt. Im Prinzip muss man als Förster immer das Beste aus der Situation machen.

stefan lieser eh 4 2021 inter heller 6 b KopieFür Viele eine der schönsten Stellen im Eifelwald: Die Prüm an den Irreler Wasserfällen in der Südeifel.Manche sehen das anders. Ihr Kollege Peter Wohlleben fordert: Stoppt die Bewirtschaftung des Waldes! Lasst Buchen-Urwälder entstehen, das ist standortgerechter auch für die Eifel.
Heller: Ich bin kein Freund dieses statischen Denkens, auch nicht im Nationalpark Eifel, wo man ein solches Konzept ja umsetzt. Die Natur entwickelt sich, Menschen denken in Zeiträumen. Das ist ein Unterschied.
Warum ist denn die Eifel als Urwald keine schöne Vorstellung?
Heller: Weil sie nicht passt. Die Eifel ist seit vielen Jahrhunderten eine Kulturlandschaft. Hier wurde seit Menschengedenken mit dem Wald gearbeitet. Und wir als Forstbetrieb haben auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Wo soll denn das ganze Bauholz herkommen? Aus Sibirien, den USA? Wäre das ökologisch?

Und wie bringen Sie Naturschutz und Bewirtschaftung unter einen Hut?
Heller: Unser Wald wie der bei vielen Nachbarkommunen in der Eifel, auch in vielen Privatwäldern ist das so, ist PFC-zertifiziert. Wir schlagen nur kontrolliert Holz ein und nicht mehr als auch nachwächst. Wir stellen nicht ganze Gebiete unter Naturschutz, wir legen aber vernetzte Alt- und Totholzinsen als biologische Trittsteine an. Schon über 50 Hektar sind so aus der Nutzung herausgenommen. Den Wald nur als Wirtschaftsfaktor zu sehen, ist schließlich auch nicht richtig. In einem reinen Urwald, den es in Deutschland gar nicht mehr gibt, würde allerdings auch das Wegenetz mit Sicherheit stark zurückgefahren, das wären bei uns keine 120 Kilometer mehr. Dabei soll der Wald ausdrücklich auch der Erholung dienen! Man muss alle diese Zwecke berücksichtigen, das macht es kompliziert.

stefan lieser eh 4 2021 inter heller 2 KopieRolf Heller, Diplom-Forstingenieur FH, war bis 2021 35 Jahren bei den Forstbetrieben der Gemeinde Blankenheim beschäftigt.Bliebe noch das Problem des Wildbestands: Der Mürel, ein großes Waldgebiet mit Teilen auch in der Gemeinde Blankenheim, ist eine Passage eines großen West-Ost-Wildwechselkorridors. Seit Jahren wird hier vor allem viel zu viel Rotwild auf den Hektar bei Messflügen mit Infrarot-Kameras gezählt. Eine Folge: Wenn Sie Setzlinge und junge Triebe nicht gleich großflächig eingattern oder aufwändig und teuer einzeln schützen, wird geäst, was schmeckt. Was tun?
Heller: Lassen Sie es mich so beantworten: 2013/14 lag das Abschusssoll beim Rotwild in der Hegegemeinschaft Blankenheim, das Gebiet ist identisch mit dem der Gemeinde, bei 252 Stück, derzeit liegt es bei 502. Wir können nur an die Jäger appellieren, aber das Ziel zu erreichen, ist schwierig.
Wie sieht es bei anderen Wildtierarten aus, zum Beispiel dem Eifeler Wappenvogel, dem Rotmilan?
Heller: Die gibt es bei uns genug. Jedes Dorf hat seinen Dorf-Milan. Schwarzstörche sind leider eher selten, und wie es bei den Fledermäusen aussieht? Man müsste auch die mal zählen.
Und der Wolf im Eifelwald?
Heller: …wird über kurz oder lang wieder da sein, einzelne Sichtungen von Durchziehern hatten wir auch bei uns schon. Luchssichtungen allerdings, wie noch vor einigen Jahren, gibt es leider nicht mehr.

Abschließend Hand aufs Herz: Der deutsche Wald: Mythos oder nicht?
Heller: Am Mythos ist schon was dran. Das steckt ein bisschen in einem drin. Deshalb sollte er uns auch erhalten bleiben!

Interview
: Stefan Lieser
Fotos: Stefan Lieser